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Niedersächsisches
Gesetz über die Ausübung des Hebammenberufs (NHebG)
Vom
19. Februar 2004 (Nds.GVBl. Nr.5/2004 S.71), geändert durch Art. 2 des
Gesetzes v. 20.2.2009 (Nds.GVBl. Nr.3/2009 S.25), Art. 2 des Gesetzes v.
15.9.2016 (Nds. GVBl. 13/2016 S. 208) und Art. 4 des Gesetzes v. 17.12.2019
(Nds. GVBl. Nr. 24/2019 S. 418) - VORIS 21064 -
Der Niedersächsische Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1
Aufgaben
(1) Hebammen, die in Niedersachsen ihren Beruf ausüben, haben die
Berufsaufgabe, Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und stillenden
Müttern Rat zu geben und ihnen sowie Neugeborenen Hilfe zu leisten. Sie
haben die Gesundheit der Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen,
stillenden Mütter und Neugeborenen, auch in psychosozialer Hinsicht, zu
fördern, zu schützen und zu erhalten.
(2) Die Vorschriften dieses Gesetzes, die sich auf Hebammen beziehen,
gelten auch für Entbindungspfleger.
(3) 1Zu den Berufsaufgaben der
Hebammen gehört insbesondere die Ausübung der folgenden
Tätigkeiten in eigener Verantwortung:
- in Fragen der Familienplanung aufzuklären und zu beraten,
- festzustellen, ob eine Schwangerschaft vorliegt, die Schwangerschaft
zu beobachten, die zur Beobachtung des Verlaufs einer normalen Schwangerschaft
notwendigen Untersuchungen und Blutentnahmen durchzuführen und bei
Beschwerden während des Schwangerschaftsverlaufs Hilfe zu leisten; Nummer
7 bleibt unberührt,
- über die Untersuchungsmöglichkeiten aufzuklären, die
für eine möglichst frühzeitige Feststellung einer
Risikoschwangerschaft notwendig sind, und gegenüber der Schwangeren auf
die Inanspruchnahme solcher Untersuchungen hinzuwirken,
- die werdenden Eltern auf die Elternschaft und die Geburt
vorzubereiten und sie in Fragen der Hygiene und Ernährung der Schwangeren,
der Mutter und des Kindes zu beraten,
- die Gebärende während der Geburt zu betreuen und das Kind
in der Gebärmutter mit anerkannten Verfahren, auch mit Hilfe technischer
Mittel, zu überwachen,
- Geburten durchzuführen sowie einen erforderlichen
Scheidendammschnitt auszuführen und zu nähen und einen
unkomplizierten Dammriss zu nähen; Nummer 7 bleibt unberührt,
- bei der Schwangeren, bei der Gebärenden, bei der Wöchnerin
oder beim Kind Anzeichen zu erkennen, die ein ärztliches Eingreifen
erforderlich machen, und im Bedarfsfall darauf hinzuwirken, dass ärztliche
Hilfe hinzugezogen wird,
- im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett bei
ärztlichen Maßnahmen Hilfe zu leisten und bei fehlender
ärztlicher Hilfe die notwendigen Maßnahmen selbst zu ergreifen, zum
Beispiel die Plazenta manuell abzulösen und anschließend die
Gebärmutter manuell zu untersuchen,
- das Neugeborene in den ersten zehn Tagen nach der Geburt,
erforderlichenfalls länger, zu untersuchen, zu überwachen und zu
pflegen, Prophylaxe-Maßnahmen durchzuführen, dem Neugeborenen Blut
für Untersuchungen abzunehmen und gegenüber den Sorgeberechtigten auf
die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen hinzuwirken,
- in Notfällen Rettungsmaßnahmen, zum Beispiel zur
sofortigen Wiederbelebung des Neugeborenen durchzuführen,
- die Wöchnerin zu pflegen sowie den gesundheitlichen Zustand der
Mutter zu überwachen und Maßnahmen zur Förderung der
Rückbildung durchzuführen,
- Mütter über die Ernährung und Pflege des
Neugeborenen, insbesondere das Stillen, zu beraten und sie beim Stillen
anzuleiten,
- bei der Geburtshilfe und der Wochen- und Neugeborenenpflege
Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen zu treffen und auf die aktuellen
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut
hinzuweisen,
- ärztlich verordnete Behandlungen der Schwangeren, der Mutter
und des Neugeborenen durchzuführen und
- Bescheinigungen über Schwangerschaft, Geburt und das Stillen
auszustellen.
2Hebammen können ihre Berufsaufgaben ambulant und
stationär (Beschäftigungsarten) ausüben.3Wenn
eine ärztliche Verordnung den anerkannten Regeln der Geburtshilfe
widerspricht, hat die Hebamme den Arzt oder die Ärztin darauf hinzuweisen
und den Hinweis zu dokumentieren. 4Ist der Hinweis nach Satz 3
erfolgt und dokumentiert, dann kann die Hebamme die Durchführung der
ärztlich verordneten Behandlung verweigern.
§ 2
Allgemeine Berufspflichten
(1) Hebammen sind verpflichtet, ihren Beruf entsprechend dem jeweiligen
Stand der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Geburtshilfe und der
medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse gewissenhaft auszuüben und
dabei Qualitätssicherungsmaßnahmen durchzuführen. Soweit
für die Qualitätssicherung anerkannte fachliche Regeln vorhanden
sind, müssen die Maßnahmen diesen entsprechen.
(2) Hebammen sind verpflichtet, sich über die für die
Ausübung ihres Berufs geltenden Vorschriften zu unterrichten und in
höchstens dreijährigem Abstand an Fortbildungsveranstaltungen
teilzunehmen. Diese Veranstaltungen müssen wissenschaftliche Themen zur
Schwangerschaftsbetreuung, zur Geburtshilfe und zur Wochenpflege umfassen und
gewährleisten, dass die Hebamme mit der beruflichen Entwicklung so weit
Schritt halten, wie dies für eine sichere und wirksame berufliche Leistung
erforderlich ist.
§ 3
Anwendung von Arzneimitteln
(1) Bei der Berufsausübung dürfen Hebammen verschreibungsfreie
Arzneimittel anwenden.
(2) Bei gegebener Indikation dürfen
ferner angewandt werden:
- in der Eröffnungsperiode ein betäubungsmittelfreies
krampflösendes oder schmerzstillendes Arzneimittel,
- beim Legen einer Dammnaht ein Arzneimittel zur örtlichen
Betäubung.
(3) Die Hebamme darf diejenigen
verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die für die Abgabe an Hebammen von
der Verschreibungspflicht ausgenommen sind, wie folgt anwenden:
- die wehenhemmenden Mittel zur Überbrückung einer
Notfallsituation bis zur Aufnahme der Schwangeren in ein Krankenhaus,
- die Wehenmittel bei einer bedrohlichen Blutung in der
Nachgeburtsperiode, wenn ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig in Anspruch
genommen werden kann.
(4) Freiberufliche Hebammen, die ambulante Geburten leiten, müssen
sicherstellen, dass sie Arzneimittel nach Absatz 3 jederzeit zur Verfügung
haben.
§ 4
Verschwiegenheit
Hebammen haben über das, was ihnen im Rahmen der
Berufsausübung anvertraut oder bekannt geworden ist, zu schweigen. Dies
gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach
keiner Geheimhaltung bedürfen.
§ 5
Aufzeichnungen
Hebammen haben über
- die von ihnen getroffenen Feststellungen zum Vorliegen und zum
Verlauf einer Schwangerschaft, zum Verlauf einer Geburt, zum Gesundheitszustand
der Schwangeren, der Gebärenden, der Mutter und des Neugeborenen,
- die Behandlung, Pflege und Betreuung der Schwangeren, der
Gebärenden, der Mutter und des Neugeborenen,
- die von ihnen verabreichten Arzneimittel und
- den wesentlichen Inhalt der von ihnen geleisteten Aufklärung
Aufzeichnungen zu fertigen. Die Aufzeichnungen
sind mindestens zehn Jahre lang aufzubewahren.
§ 6
Besondere Pflichten für freiberuflich
tätige Hebammen
(1) Hebammen, die freiberuflich tätig
sind, sind verpflichtet,
- die für die Berufsausübung erforderlichen Instrumente,
Arzneimittel und Materialien bereitzuhalten und die Instrumente zu warten,
- sich zur Deckung der Schäden, die durch die Tätigkeit der
Hebamme entstehen können, gegen Haftpflichtansprüche zu versichern,
- auf ihre berufliche Niederlassung, insbesondere durch ein
Praxisschild, hinzuweisen,
- nur in einer Weise zu werben, die in Form und Inhalt dem Berufsbild
angemessen über ihre Tätigkeit unterrichtet,
- ihre beruflichen Aufzeichnungen bis zum Ende der Aufbewahrungsfrist
so aufzubewahren, dass sie nicht verloren gehen oder beschädigt werden
können und dass Dritte nicht unbefugt Einsicht nehmen können,
- für den Fall der Berufsaufgabe und des Todes zu
gewährleisten, dass die untere Gesundheitsbehörde, in deren Bereich
sich die Hebamme beruflich niedergelassen hat, die beruflichen Aufzeichnungen
erhält, und
- sich an Maßnahmen der Qualitätssicherung für
ambulante Geburtshilfe, Schwangerschaftsbetreuung und Wochenpflege zu
beteiligen.
(2) Hebammen, die freiberuflich tätig sind, sollen dafür
sorgen, dass ihnen jederzeit Nachrichten übermittelt oder hinterlassen
werden können. Sind sie nicht unmittelbar zu erreichen, so muss eine
Vertretung gewährleistet sein.
§ 7
Meldepflichten
(1) 1Hebammen haben der unteren
Gesundheitsbehörde unaufgefordert schriftlich unter Verwendung eines von
dem für Hebammen zuständigen Ministerium erstellten Formulars
anzuzeigen
- den Beginn der Berufsausübung; dabei ist die Berechtigung zum
Führen der Berufsbezeichnung nachzuweisen,
- das Geburtsdatum,
- die Beschäftigungsart ,
- die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sowie den
zeitlichen Anteil der Beschäftigungsarten an der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit,
- die Bereiche, in denen sie tätig sind, gegliedert in folgende
Kategorien:
- a)
- allgemeine Beratung,
- b)
- vorgeburtliche Betreuung,
- c)
- Geburtsvorbereitung,
- d)
- Geburtshilfe,
- e)
- nachgeburtliche Betreuung und
Beratung,
- f)
- Familienhebammentätigkeit,
- g)
- sonstige Tätigkeiten,
- die Anschrift oder die Anschriften, unter der oder denen die
berufliche Tätigkeit ausgeübt wird,
- die Sicherstellung der Möglichkeit zum Empfang von Nachrichten
(§6 Abs.2 Satz 1),
- den Zeitpunkt der letzten Teilnahme an einer beruflichen
Fortbildungsveranstaltung (§ 2 Abs. 2),
- die Anzahl der jährlich geleiteten ambulanten Geburten
einschließlich der ambulant begonnenen, aber in einer Klinik beendeten
Geburten,
- die Teilnahme an der Qualitätssicherung für ambulante
Geburtshilfe, Schwangerschaftsbetreuung und Wochenpflege, und
- die Beendigung der Berufsausübung.
2Der Beginn und die Beendigung der
Berufsausübung sind unverzüglich anzuzeigen. 3Im
Übrigen müssen die Angaben nach Satz 1 erstmals mit der Anzeige des
Beginns der Berufsausübung und sodann jährlich bis zum 31. Januar des
Folgejahres angezeigt werden.
(2) Hebammen haben der unteren Gesundheitsbehörde unverzüglich
zu melden, wenn eine von ihnen betreute Schwangere, Gebärende oder
Wöchnerin oder ein von ihnen betreutes Neugeborenes während der Zeit
der Betreuung verstorben ist. Satz 1 gilt entsprechend, wenn bei der von der
Hebamme betreuten Frau im Zusammenhang mit der Betreuung eine Tot- oder
Fehlgeburt eintritt.
§ 7 a
Mitteilungspflichten der unteren
Gesundheitsbehörden an das Landesgesundheitsamt
1Die untere
Gesundheitsbehörde hat dem Landesgesundheitsamt jährlich bis zum 31.
März des Folgejahres mitzuteilen:
- die Gesamtzahl der Hebammen, die in dem Bezirk der Behörde ihre
Berufsausübung gemäß § 7 Abs. 1 angezeigt haben,
- die Zuordnung der in dem Bezirk der Behörde tätigen
Hebammen zu den Altersgruppen 20 bis 29 Jahre, 30 bis 39 Jahre, 40 bis 49
Jahre, 50 bis 59 Jahre sowie 60 und mehr Jahre,
- die Anzahl der in dem Bezirk der Behörde in den
Beschäftigungsarten jeweils tätigen Hebammen,
- die zeitlichen Anteile an der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit aller in dem Bezirk der Behörde
tätigen Hebammen, die in den jeweiligen Beschäftigungsarten insgesamt
erbracht werden,
- die Anzahl der in den einzelnen Kategorien nach § 7 Abs. 1 Satz
1 Nr. 5 in dem Bezirk der Behörde tätigen Hebammen,
- die Anzahl der in den einzelnen Kategorien nach § 7 Abs. 1 Satz
1 Nr. 5 in dem Bezirk der Behörde tätigen Hebammen, gegliedert nach
Altersgruppen nach Nummer 2, und
- die Anzahl der in den einzelnen Kategorien nach § 7 Abs. 1 Satz
1 Nr. 5 in dem Bezirk der Behörde tätigen Hebammen, gegliedert nach
Beschäftigungsarten.
2Die Daten nach Satz 1 sind
anonymisiert und nicht personenbezogen zu übermitteln.
§ 8
Aufsicht
(1) Die untere Gesundheitsbehörde, in deren Bereich sich die
Hebamme beruflich niedergelassen hat, überwacht die Auskunfts-, Anzeige-
und Meldepflichten nach Absatz 2 und §7.
(2) Die Hebammen haben der unteren Gesundheitsbehörde jederzeit auf
Verlangen Auskunft über ihre berufliche Tätigkeit zu geben, soweit
dies zur Ausübung der Aufsicht erforderlich ist.
(3) Die untere Gesundheitsbehörde hat wiederholte
Verstöße einer Hebamme gegen Pflichten nach Absatz 2 und §7 der
Behörde zu melden, die für die Rücknahme oder den Widerruf der
Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Hebamme
zuständig ist.
§ 9
Vergütung der Hebammenhilfe
Das Fachministerium wird ermächtigt, die Vergütung für
Hebammenhilfe der freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspfleger
außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung durch Verordnung zu
bestimmen.
§ 10
Übergangsregelung
Einer freiberuflich tätigen Hebamme, die im Besitz einer wirksamen
Niederlassungserlaubnis nach §29 des Hebammengesetzes vom 4.Juni 1985
(BGBl. I S.902), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 16.Juli
2003 (BGBl. I S.1442), ist, gewährleistet das Land ein Mindesteinkommen in
Höhe von 6.138 Euro je Jahr oder bei unterjähriger Tätigkeit in
Höhe von 512 Euro je Monat der Berufstätigkeit. Unterschreitet die
Summe der Einkünfte der Hebamme nach §2 Abs.2 des
Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 19.Oktober 2002 (BGBl. I S.4210,
2003 I S.179), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31.Juli
2003 (BGBl. I S.1550), den gewährleisteten Betrag, so gewährt das
Land auf Antrag den Differenzbetrag.
§ 11
In-Kraft-Treten
(1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
(2) Gleichzeitig treten außer Kraft:
- das Hebammengesetz vom 21.Dezember 1938 (Nds.GVBl. Sb. II S.261),
- die Erste Verordnung zur Durchführung des Hebammengesetzes vom
3.März 1939 (Nds.GVBl. Sb. II S.262),
- die Zweite Verordnung zur Durchführung des Hebammengesetzes vom
13.September 1939 (Nds.GVBl. Sb. II S.262),
- die Sechste Verordnung zur Durchführung des Hebammengesetzes
(Aus- und Fortbildung der Hebammen) vom 16.September 1941 (Nds.GVBl. Sb. II
S.262),
- die Siebente Verordnung zur Durchführung des Hebammengesetzes
vom 20.August 1942 (Nds.GVBl. Sb. II S.263),
- die Verordnung über die Gewährleistung des
Mindesteinkommens der Hebammen vom 28.Januar 1966 (Nds.GVBl. S.10), zuletzt
geändert durch Verordnung vom 20.Februar 1984 (Nds.GVBl. S.65),
- Abschnitt IV (§§13 bis 19) der Dritten
Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des
Gesundheitswesens (Dienstordnung für die Gesundheitsämter -
Besonderer Teil) vom 30.März 1935 (Nds.GVBl. Sb. II S.170).
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