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Niedersächsisches Gesetz zur Sicherung von Tariftreue und Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Niedersächsisches Tariftreue- und Vergabegesetz - NTVergG)
Vom 31. Oktober 2013 (Nds.GVBl. Nr.20/2013 S.259), geändert durch Gesetz v. 8.6.2016 (Nds. GVBl. Nr. 6/2016 S. 103), Art. 6 des Gesetzes v. 15.12.2016 (Nds. GVBl. Nr. 19/2016 S. 301) und Art. 1 des Gesetzes v. 20.11.2019 (Nds. GVBl. Nr. 20/2019 S. 354) - VORIS 72080 -

Der Niedersächsische Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1
Zweck des Gesetzes

Dieses Gesetz soll einen fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gewährleisten sowie die umwelt- und sozialverträgliche Beschaffung durch die öffentliche Hand fördern.

§ 2
Anwendungsbereich

(1) 1Dieses Gesetz gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen über Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen und von Rahmenvereinbarungen (§ 103 Abs. 1 bis 5 und § 104 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB -) ab einem geschätzten Auftragswert von 20 000 Euro (ohne Umsatzsteuer).2Für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, dieselben Vorschriften dieses Gesetzes wie für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge. 3Für die Schätzung gilt § 3 der Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) 1Dieses Gesetz gilt nicht für

  1. Wettbewerbe (§ 103 Abs. 6 GWB) und Konzessionen (§ 105 GWB),
  2. öffentliche Aufträge, die im Namen oder im Auftrag des Bundes ausgeführt oder die nach haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes vergeben werden.

2Ferner ist dieses Gesetz nicht anzuwenden, wenn

  1. der geschätzte Auftragswert bei öffentlichen Aufträgen über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, den jeweiligen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 GWB nicht erreicht,
  2. der geschätzte Auftragswert bei öffentlichen Aufträgen über Architekten- und Ingenieurleistungen, bei denen der Gegenstand der Leistung eine Aufgabe ist, deren Lösung vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, den jeweiligen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 GWB erreicht oder überschreitet,
  3. der geschätzte Auftragswert bei öffentlichen Aufträgen, die durch öffentliche Auftraggeber nach § 99 Nr. 4 GWB vergeben werden, den jeweiligen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 GWB nicht erreicht.

(3) Für Auftragsvergaben, bei denen der geschätzte Auftragswert den jeweiligen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 GWB erreicht oder überschreitet, sind von den folgenden Vorschriften nur die Absätze 4 und 6 sowie die §§ 4 bis 6, 8 Abs. 1, §§ 10 bis 15, 17 und 18 ergänzend anzuwenden.

(4) Im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs gelten die Regelungen dieses Gesetzes für alle Dienstleistungsaufträge im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. EU Nr. L 315 S.1), geändert durch die Verordnung (EU) 2016/2338 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 (ABl. EU Nr. L 354 S. 22), ab einem geschätzten Auftragswert von 20 000 Euro (ohne Umsatzsteuer).

(5) Öffentliche Auftraggeber im Sinne dieses Gesetzes sind die niedersächsischen öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nrn. 1 bis 4 und § 100 GWB.

(6) Sollen öffentliche Aufträge gemeinsam mit Auftraggebern anderer Bundesländer, des Bundes oder von Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland vergeben werden, so ist mit diesen zwecks Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes eine Einigung anzustreben. Kommt diese nicht zustande, so kann von den Bestimmungen abgewichen werden.

§ 3
Anzuwendende Vorschriften; Verordnungsermächtigung

(1) Bei der Vergabe von öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, deren geschätzter Auftragswert die in § 106 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 GWB genannten Schwellenwerte nicht erreicht, sind die Regelungen der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vom 2. Februar 2017 (BAnz AT 07.02.2017 B1, 08.02.2017 B1) anzuwenden.

(2) 1Bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen, deren geschätzter Auftragswert die Schwellenwerte nach § 106 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 GWB nicht erreicht, sind die Regelungen zu den Ausnahmen in den §§ 108, 109, 116 Abs. 2, §§ 117 und 145 GWB sowie die §§ 118 und 128 GWB entsprechend anzuwenden. 2Ferner sind die Regelungen des Abschnitts 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A 2019) vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2) anzuwenden.

(3) Das für Öffentliches Auftragswesen zuständige Ministerium wird ermächtigt, zur Beschleunigung und Vereinfachung von Vergabeverfahren durch Verordnung abweichend von den Vergabe- und Vertragsordnungen zu regeln

  1. Grenzen für Auftragswerte, bis zu deren Erreichen eine Auftragsvergabe im Wege einer beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb, einer Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb oder einer freihändigen Vergabe nach den Vergabe- und Vertragsordnungen zulässig ist, sowie weitere Anforderungen an die Durchführung dieser Verfahren,
  2. weitere Verfahrenserleichterungen, soweit sie sich auf die in den §§ 8 bis 12, 14, 15, 25, 27 bis 31, 33, 35, 37 bis 40, 46 und 47 UVgO oder in den §§ 3 bis 3 b, 4 a, 6 a, 6 b, 8 Abs. 2, §§ 10, 12 bis 14 a, 16 b, 19, 20 Abs. 3 und 4 und § 22 VOB/A 2019 geregelten Gegenstände beziehen.

(4) Das für Öffentliches Auftragswesen zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Verordnung im Einvernehmen mit dem fachlich zuständigen Ministerium Ausnahmen im Sinne des Absatzes 3 von anderen landesrechtlich geregelten Vergabevorschriften auch für Vergaben unterhalb des in § 2 Abs. 1 Satz 1 bestimmten Auftragswerts zuzulassen.

§ 4
Mindestentgelte

(1) Öffentliche Aufträge über Bau- und Dienstleistungen dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die bei Angebotsabgabe erklären, bei der Ausführung des Auftrags im Inland

  1. ihren Arbeitnehmerinnen. und Arbeitnehmern im Sinne des § 22 des Mindestlohngesetzes (MiLoG) vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348), geändert durch Artikel 2 Abs. 10 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 203), in der jeweils geltenden Fassung, mindestens ein Mindestentgelt nach den Vorgaben des Mindestlohngesetzes und
  2. ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die von Regelungen nach § 1 Abs. 3 MiLoG, insbesondere von Branchentarifverträgen, die nach den Vorgaben des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799) - AEntG -, zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 11 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 203), in der jeweils geltenden Fassung, bundesweit zwingend Anwendung finden, erfasst werden, mindestens ein Mindestentgelt nach den Vorgaben dieser Regelungen

zu zahlen.

(2) Fehlt bei Angebotsabgabe die Erklärung nach Absatz 1 und wird sie auch nach Aufforderung nicht vorgelegt, so ist das Angebot von der Wertung auszuschließen.

§ 5
Tariftreue im öffentlichen Personenverkehr auf Straße und Schiene

(1) 1Öffentliche Aufträge über Dienstleistungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs auf Straße und Schiene im Sinne von § 2 Abs. 4 dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die bei Angebotsabgabe erklären, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung des Auftrags mindestens das in Niedersachsen für diese Leistung in einem der einschlägigen und repräsentativen mit einer tariffähigen Gewerkschaft vereinbarten Tarifverträge vorgesehene Entgelt unter den dort jeweils vorgesehenen Bedingungen zu zahlen und während der Ausführungslaufzeit Änderungen nachzuvollziehen. 2Bei Ausschreibungen für grenzüberschreitenden Verkehr kann auch ein einschlägiger und repräsentativer Tarifvertrag aus dem jeweiligen Nachbarstaat der Bundesrepublik Deutschland zugrunde gelegt werden. 3Kann dabei mit dem öffentlichen Auftraggeber oder den öffentlichen Auftraggebern aus den Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland keine Einigung über die Vorgabe der einschlägigen und repräsentativen Tarifverträge erzielt werden, so soll die Beachtung eines einschlägigen Tarifvertrags vorgegeben werden. 4Ist auch dies nicht möglich, so findet Satz 1 keine Anwendung. 5Sind die tarifvertraglich zustehenden Entgeltleistungen in mehreren Tarifverträgen geregelt, so gelten diese als ein Tarifvertrag.

(2) 1Die öffentlichen Auftraggeber geben in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen des öffentlichen Auftrags an, welche repräsentativen Tarifverträge für die Ausführung des Auftrags einschlägig sind. 2Hat das für Arbeitsrecht zuständige Ministerium eine Liste der repräsentativen Tarifverträge veröffentlicht, so reicht es aus, die Tarifverträge durch Bezugnahme auf die Liste zu bezeichnen und anzugeben, wo die Liste veröffentlicht ist.

(3) Fehlt bei Angebotsabgabe die Tariftreueerklärung im Sinne des Absatzes 1 und wird sie auch nach Aufforderung nicht vorgelegt, so ist das Angebot von der Wertung auszuschließen.

(4) 1Das für Angelegenheiten des Arbeitsrechts zuständige Ministerium stellt fest, welche Tarifverträge repräsentativ sind. 2Merkmale der Repräsentativität sind

  1. die Zahl der von den jeweils tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
  2. die Zahl der jeweils unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Mitglieder der Gewerkschaft, die den Tarifvertrag geschlossen hat.

3Das für Angelegenheiten des Arbeitsrechts zuständige Ministerium regelt im Einvernehmen mit dem für Öffentliches Auftragswesen und dem für Verkehr zuständigen Ministerium durch Verordnung das Verfahren, in dem festgestellt wird, welche Tarifverträge repräsentativ sind, sowie die Art der Veröffentlichung dieser Tarifverträge; in der Verordnung können weitere Merkmale der Repräsentativität festgelegt werden. 4Die Verordnung regelt, dass im Verfahren zur Feststellung der Repräsentativität ein paritätisch aus Vertreterinnen und Vertretern der Tarifpartner zusammengesetzter Beirat beratend mitwirkt.

(5) 1Bei dem für Öffentliches Auftragswesen zuständigen Ministerium wird eine Servicestelle eingerichtet, die über dieses Gesetz sowie über Tarifregelungen nach Absatz 1 informiert und die Entgeltregelungen aus den einschlägigen Tarifverträgen unentgeltlich zur Verfügung stellt. 2Die Servicestelle macht Muster zur Abgabe von Erklärungen nach § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 öffentlich bekannt.

§ 6
Betreiberwechsel bei der Erbringung von Personenverkehrsdiensten

1Beabsichtigt der öffentliche Auftraggeber, vom ausgewählten Betreiber gemäß Artikel 4 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zu verlangen, dass dieser die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des bisherigen Betreibers zu deren bisherigen Arbeitsbedingungen übernimmt, so verpflichtet er den bisherigen Betreiber, ihm die hierzu erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen oder Einsicht in Lohn- und Meldeunterlagen, Bücher und andere Geschäftsunterlagen und Aufzeichnungen zu gewähren, aus denen Umfang, Art, Dauer und tatsächliche Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hervorgehen oder abgeleitet werden können. 2Hierdurch entstehende Aufwendungen des bisherigen Betreibers werden durch den öffentlichen Auftraggeber erstattet.

§ 7
Unangemessen niedrig erscheinende Angebotspreise bei Bauleistungen

1Erscheint bei Bauleistungen ein Angebotspreis unangemessen niedrig und hat der öffentliche Auftraggeber deswegen die Angemessenheit des Angebotspreises zu prüfen (§ 16 d Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2019), so sind die Unternehmen verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen. 2Ein Angebotspreis erscheint jedenfalls dann unangemessen niedrig im Sinne von § 16 d Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2019, wenn das Angebot, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, um mindestens 10 vom Hundert vom nächsthöheren Angebot abweicht. 3Kommt ein Unternehmen der Verpflichtung nach Satz 1 nicht innerhalb einer vom öffentlichen Auftraggeber gesetzten Frist nach, so ist es vom weiteren Verfahren auszuschließen.

§ 8
Nachweise

(1) Die nach diesem Gesetz vorzulegenden Nachweise und Erklärungen können gemäß den Vergabe- und Vertragsordnungen sowie gemäß der Vergabeverordnung im Wege der Präqualifikation auch erbracht werden, soweit diese Nachweise und Erklärungen für die Aufnahme in ein Präqualifikationsverzeichnis, ein amtliches Verzeichnis oder ein Zertifizierungssystem nicht erforderlich sind.

(2) 1Bei der Vergabe von Bauaufträgen hat das Unternehmen, das den Zuschlag erhalten soll, für den Fall, dass es nicht in das Präqualifikationsverzeichnis des Vereins für die Qualifizierung von Bauunternehmen eingetragen ist, durch Unterlagen, die nicht älter als ein Jahr sein dürfen, den Nachweis der vollständigen Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung zu erbringen. 2Die Unterlagen müssen von dem zuständigen in- oder ausländischen Sozialversicherungsträger ausgestellt sein. 3Der Nachweis nach Satz 1 kann durch eine Bescheinigung des ausländischen Staates erbracht werden. 4Bei fremdsprachigen Bescheinigungen ist eine Übersetzung in die deutsche Sprache beizufügen.

§ 9
Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen

(1) 1Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. 2Daher sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Leistungen in den Vergabeunterlagen nach Art und Umfang so in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Fachgebieten (Fachlose) festzulegen, dass kleine und mittlere Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen und beim Zuschlag berücksichtigt werden können. 3Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. 4Generalunternehmervergaben stellen den Ausnahmefall dar und bedürfen einer gesonderten Begründung.

(2) Öffentliche Auftraggeber sollen kleine und mittlere Unternehmen bei beschränkten Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb, Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb und freihändigen Vergaben in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe auffordern.

§ 10
Umweltverträgliche Beschaffung

1Öffentliche Auftraggeber können bei der Festlegung der Anforderungen an die zu beschaffenden Gegenstände oder Leistungen berücksichtigen, inwieweit deren Erstellung, Lieferung, Nutzung und Entsorgung umweltverträglich erfolgt. 2Entsprechende Anforderungen müssen im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.

§ 11
Berücksichtigung sozialer Kriterien

(1) 1Öffentliche Auftraggeber können soziale Kriterien als Anforderungen an die Unternehmen berücksichtigen. 2Soziale Anforderungen dürfen nur für die Auftragsausführung und nur an Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gestellt werden.

(2) Zu berücksichtigende soziale Kriterien können insbesondere sein:

  1. die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen,
  2. die Förderung der Chancengleichheit und Gleichstellung von Frauen und Männern im Beruf,
  3. die Beschäftigung von Auszubildenden,
  4. die Beteiligung an tariflichen Umlageverfahren zur Sicherung der beruflichen Erstausbildung oder an Ausbildungsverbünden oder
  5. die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen.

§ 12
Beachtung von ILO-Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen

(1) 1Bei der Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen ist darauf hinzuwirken, dass im Anwendungsbereich des Absatzes 2 keine Waren Gegenstand der Leistung sind, die unter Missachtung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgelegten Mindestanforderungen gewonnen oder hergestellt worden sind. 2Diese Mindestanforderungen ergeben sich aus

  1. dem Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- oder Pflichtarbeit vom 28. Juni 1930 (BGBl. 1956 II S.641),
  2. dem Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes vom 9. Juli 1948 (BGBl. 1956 II S.2073),
  3. dem Übereinkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen vom 1. Juli 1949 (BGBl. 1955 II S.1123),
  4. dem Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit vom 29. Juni 1951 (BGBl. 1956 II S.24),
  5. dem Übereinkommen Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom 25. Juni 1957 (BGBl. 1959 II S.442),
  6. dem Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II S.98),
  7. dem Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung vom 26. Juni 1973 (BGBl. 1976 II S.202) und
  8. dem Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit vom 17. Juni 1999 (BGBl. 2001 II S.1291).

(2) 1Die Landesregierung bestimmt durch Verordnung, auf welche Produktgruppen oder Herstellungsverfahren Absatz 1 anzuwenden ist und welchen Mindestinhalt die vertraglichen Regelungen nach Absatz 1 Satz 1 haben sollen. 2Die Verordnung trifft Bestimmungen zu Zertifizierungen und Nachweisen sowie zur vertraglichen Ausgestaltung von Kontrollen und vertraglichen Sanktionen.

§ 13
Nachunternehmen, Verleihunternehmen

(1) 1Soweit Nachunternehmen bei der Ausführung des Auftrags eingesetzt werden, muss sich das Unternehmen verpflichten, den eingesetzten Nachunternehmen die Erklärung nach § 4 Abs. 1 und bei Bauleistungen außerdem den Nachweis nach § 8 Abs. 2 abzuverlangen und diese Erklärungen und Nachweise dem öffentlichen Auftraggeber vorzulegen. 2Soweit bei Aufträgen nach § 2 Abs. 4 Unteraufträge im Sinne von Artikel 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 erteilt werden, muss sich das Unternehmen verpflichten, den eingesetzten Nachunternehmen stattdessen die Erklärung nach § 5 Abs. 1 abzuverlangen und dem öffentlichen Auftraggeber vorzulegen. 3Das Unternehmen, das einen Auftrag an ein Nachunternehmen vergibt, hat vertraglich sicherzustellen, dass das Nachunternehmen die ihm nach Satz 1 aufzuerlegenden Verpflichtungen übernimmt und die Verpflichtungen, auf die sich die in Satz 1 genannten Erklärungen und Nachweise beziehen, einhält. 4Für Nachunternehmen gilt § 8 Abs. 1 entsprechend. 5Werden bei der Ausführung des Auftrags Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer überlassen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in der Fassung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348), in der jeweils geltenden Fassung, so gelten die Sätze 1 bis 4 entsprechend.

(2) 1Bei der Vergabe von Bauaufträgen haben die Unternehmen bei Abgabe ihres Angebots ein Verzeichnis der Leistungen, die durch Nachunternehmen erbracht werden sollen, vorzulegen. 2Der öffentliche Auftraggeber legt in den Vergabeunterlagen fest, ob die Nachunternehmen, die die Unternehmen für diese Leistungen einsetzen wollen, vor Zuschlagserteilung benannt werden müssen. 3Nach Zuschlagserteilung bedarf die Einschaltung oder der Wechsel eines Nachunternehmens der Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers. 4Für die Einschaltung und den Wechsel eines Verleihunternehmens gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend.

(3) Auf die Vorlage von Erklärungen und Nachweisen kann der öffentliche Auftraggeber verzichten, soweit der Anteil des Auftrags, der auf das jeweilige Nachunternehmen entfällt, weniger als 3 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) beträgt.

§ 14
Kontrollen

(1) 1Die öffentlichen Auftraggeber sind gehalten, Kontrollen durchzuführen, um zu überprüfen, ob die beauftragten Unternehmen sowie die jeweiligen Nachunternehmen und Verleihunternehmen die von ihnen im Hinblick auf dieses Gesetz übernommenen vergaberechtlichen Verpflichtungen einhalten. 2Das beauftragte Unternehmen sowie die jeweiligen Nachunternehmen und Verleihunternehmen sind verpflichtet, dem öffentlichen Auftraggeber die Einhaltung der Verpflichtungen nach Satz 1 auf dessen Verlangen jederzeit nachzuweisen.

(2) Der öffentliche Auftraggeber darf Einsicht in Unterlagen, insbesondere in Lohn- und Meldeunterlagen, Bücher und andere Geschäftsunterlagen und Aufzeichnungen, nehmen, aus denen Umfang, Art, Dauer und tatsächliche Entlohnung der Beschäftigten hervorgehen oder abgeleitet werden, um die Einhaltung der vergaberechtlichen Verpflichtungen nach Absatz 1 Satz 1 zu überprüfen, die sich auf die Beschäftigten beziehen.

(3) Liegen den öffentlichen Auftraggebern Anhaltspunkte dafür vor, dass die sich aus den Erklärungen nach § 4 Abs. 1 oder § 5 Abs. 1 ergebenden Verpflichtungen nicht eingehalten werden, so sind sie zur Durchführung von Kontrollen verpflichtet.

(4) 1Das beauftragte Unternehmen sowie die Nachunternehmen und Verleihunternehmen haben vollständige oder prüffähige Unterlagen nach Absatz 2 über die eingesetzten Beschäftigten bereitzuhalten. 2Auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers sind ihm diese Unterlagen vorzulegen. 3Das beauftragte Unternehmen sowie die Nachunternehmen und Verleihunternehmen haben ihre Beschäftigten auf die Möglichkeit solcher Kontrollen hinzuweisen.

(5) Die Rechte des öffentlichen Auftraggebers nach Absatz 1 Satz 2 und den Absätzen 2 und 4 zur Einsichtnahme in Unterlagen sowie die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des beauftragten Unternehmens, der jeweiligen Nachunternehmen und Verleihunternehmen sind vertraglich sicherzustellen.

(6) Die Servicestelle nach § 5 Abs. 5 nimmt Hinweise zu öffentlichen Aufträgen entgegen, die Anlass für Kontrollen nach Absatz 1 oder 3 sein können, und leitet diese an den jeweiligen öffentlichen Auftraggeber weiter.

§ 15
Sanktionen

(1) 1Um die Einhaltung der sich aus den Erklärungen nach § 4 Abs. 1 oder § 5 Abs. 1 ergebenden Verpflichtungen zu sichern, hat der öffentliche Auftraggeber für jeden schuldhaften Verstoß eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 vom Hundert des Auftragswerts mit dem beauftragten Unternehmen zu vereinbaren; bei mehreren Verstößen darf die Summe der Vertragsstrafen 10 vom Hundert des Auftragswerts nicht überschreiten. 2Das beauftragte Unternehmen ist zur Zahlung einer Vertragsstrafe nach Satz 1 auch für den Fall zu verpflichten, dass der Verstoß durch ein Nachunternehmen oder ein Verleihunternehmen begangen wird und das beauftragte Unternehmen den Verstoß kannte oder kennen musste. 3Ist die verwirkte Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie vom öffentlichen Auftraggeber auf Antrag des beauftragten Unternehmens auf einen angemessenen Betrag herabgesetzt werden.

(2) Der öffentliche Auftraggeber vereinbart mit dem zu beauftragenden Unternehmen, dass die schuldhafte und nicht nur unerhebliche Nichterfüllung einer sich aus den Erklärungen nach § 4 Abs. 1 oder § 5 Abs. 1 ergebenden Verpflichtung durch das beauftragte Unternehmen, ein Nachunternehmen oder ein Verleihunternehmen den öffentlichen Auftraggeber zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt.

(3) Hat das beauftragte Unternehmen, ein Nachunternehmen oder ein Verleihunternehmen mindestens grob fahrlässig oder mehrfach gegen die sich aus der Erklärung nach § 5 Abs. 1 ergebenden Verpflichtungen verstoßen, so hat der öffentliche Auftraggeber das betreffende Unternehmen, Nachunternehmen oder Verleihunternehmen für die Dauer von bis zu drei Jahren von seiner Vergabe öffentlicher Aufträge als zu beauftragendes Unternehmen, Nachunternehmen und Verleihunternehmen auszuschließen.

(4) Die öffentlichen Auftraggeber haben die für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 21 MiLoG, nach § 23 AEntG und nach § 16 AÜG zuständigen Stellen über Verstöße der Unternehmen gegen die in § 4 Abs. 1 genannten Mindestentgeltregelungen zu informieren.

§ 16
Informations- und Wartepflicht

(1) 1Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, deren geschätzter Auftragswert den jeweiligen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 GWB nicht erreicht, haben öffentliche Auftraggeber die Unternehmen, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, auf dessen Angebot der Zuschlag erteilt werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über die Wartefrist bis zur Zuschlagserteilung gemäß Absatz 2 in Textform zu informieren. 2Dies gilt entsprechend auch für Unternehmen, denen keine Information über die Ablehnung ihrer Bewerbung im Teilnahmewettbewerb zur Verfügung gestellt wurde, bevor die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an die Unternehmen nach Satz 1 ergangen ist.

(2) 1Der Zuschlag darf frühestens 15 Kalendertage nach Absendung der Information nach Absatz 1 erteilt werden. 2Wird die Information auf elektronischem Weg oder durch Telefax versendet, verkürzt sich die Frist auf zehn Kalendertage. 3Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den öffentlichen Auftraggeber; auf den Tag des Zugangs beim betroffenen Unternehmen kommt es nicht an.

(3) 1Die Informationspflicht entfällt in Fällen besonderer Dringlichkeit. 2Im Fall verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer Aufträge (§ 104 GWB) und aus Gründen der Geheimhaltung können öffentliche Auftraggeber darauf verzichten, bestimmte Informationen über die vorgesehene Zuschlagserteilung mitzuteilen, wenn die Offenlegung den Gesetzesvollzug behindern, dem öffentlichen Interesse, insbesondere Verteidigungs-, Sicherheits- oder Geheimhaltungsinteressen, zuwiderlaufen, berechtigte geschäftliche Interessen von Unternehmen schädigen oder den lauteren Wettbewerb zwischen ihnen beeinträchtigen würde.“

§ 17
Übergangsbestimmungen

(1) Auf Vergaben, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen haben, ist das Niedersächsische Landesvergabegesetz vom 15. Dezember 2008 (Nds. GVBl. S. 411), geändert durch Gesetz vom 19. Januar 2012 (Nds. GVBl. S. 6), anzuwenden.

(2) Auf Vergaben, die vor dem 1. Juli 2016 begonnen haben, ist dieses Gesetz in der am 30. Juni 2016 geltenden Fassung anzuwenden.

(3) Auf Vergaben, die vor dem 1. Januar 2020 begonnen haben, ist dieses Gesetz in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung anzuwenden.

(4) Auf Vergaben, die zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2020 begonnen haben, findet § 38 Abs. 2 und 3 UVgO keine Anwendung.

§ 18
Inkrafttreten

1Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2014 in Kraft. 2Abweichend von Satz 1 treten § 3 Abs. 3 und 4, § 4 Abs. 4 und 5, § 5 Abs. 2 sowie § 12 Abs. 2 am Tag nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft.

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Hannover, den 31. Oktober 2013

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