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Stellung des Schülers in der Schule
Erl. d. MK v. 18. 6.1973 - 301 - 403/1/1 - 5/73 (SVBl. 7/1973 S.191 und 10/1973 S.282 )

Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland hat auf ihrer Sitzung am 25.Mai 1973 eine Erklärung zur Stellung des Schülers in der Schule beschlossen, die in der folgenden Anlage zur Kenntnis gegeben wird.

Anlage

Zur Stellung des Schülers in der Schule
(Erklärung der Kultusministerkonferenz, beschlossen am 25. Mai 1973)

Der Wandel in allen Lebensgebieten und die Reformen im Bildungswesen haben dazu beigetragen, die Rolle der Schule in der Gesellschaft, die Arbeitsweise der Schule und die Stellung des Schülers in der Schule zu verändern. Angesichts dieser Entwicklung halten es die Kultusminister für richtig, ihre gemeinsame Auffassung zur Stellung des Schülers in der heutigen Schule für die Öffentlichkeit in bestimmten politischen, rechtlichen und pädagogischen Grundsätzen zu umreißen. Die Kultusminister wenden sich mit ihrer Erklärung nicht nur an Schüler; Eltern und Lehrer, sondern an die gesamte Öffentlichkeit, weil sie dazu beitragen wollen, eine wirklichkeitsnahe Sicht der Schule zu ermöglichen und die Entscheidung in Zweifelsfragen zu erleichtern.

Die Erklärung beeinträchtigt weder weitergehende inhaltliche Festlegungen in den einzelnen Ländern, noch will sie den Stand der Entwicklung festschreiben. Die Kultusminister lassen sich vielmehr - unbeschadet der gegenwärtig diskutierten Reformvorstellungen - von der Absicht leiten, eine gemeinsame Basis für weitere Entwicklungen zu gewinnen.

Die Schule selbst muß den Maßstäben entsprechen, die den Rechten und Pflichten der Schüler gesetzt sind. Die Kultusminister erkennen die dazu schon bisher insbesondere von der Lehrerschaft unternommenen Bemühungen ausdrücklich an. Sie wissen, daß es weiterer ständiger Anstrengungen aller für das Schulwesen Verantwortlichen bedarf, damit die Schule den Ansprüchen des einzelnen wie der Gesellschaft gerecht werden kann.

Gliederung

  1. Aufgabe der Schule
  2. Schulverhältnis und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
  3. Schulpflicht und Teilnahmepflicht
  4. Rechte des einzelnen Schülers
  5. Rechte von Schülervertretungen
  6. Die Meinungsfreiheit des Schülers
  7. Schülerzeitschriften
  8. Leistungsverweigerung
  9. Sogenannte Schülerstreiks

I. Aufgabe der Schule

Die Schule hat die Aufgabe, Schüler im Einklang mit den im folgenden näher bezeichneten Zielen zu unterrichten und zu erziehen. Alle pädagogischen und rechtlichen Entscheidungen im Rahmen des Schullebens müssen sich an der Aufgabe der Schule orientieren und vor ihr rechtfertigen.

Die Schule ist Teil unserer gesellschaftlichen Ordnung und hat ihre Grundlage im Grundgesetz, in den Verfassungen der Länder und in den Gesetzen und sonstigen Vorschriften, die die Schule betreffen. Lehr- und Bildungspläne dienen der Präzisierung und Ergänzung allgemeiner Ziele und sind Grundlage der Unterrichts- und Erziehungsarbeit.

Nach Artikel 7 des Grundgesetzes steht das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates. Staatliche Legislative und Exekutive sind danach berechtigt und verpflichtet, alle Vorkehrungen zu treffen, um Unterricht und Erziehung im Rahmen rechtsverbindlicher Normen zu gewährleisten.

Der Bildungsauftrag der Schule muß sich an den Normen des Grundgesetzes orientieren. Das muß vor allem dadurch geschehen, daß bestmögliche Bedingungen für die Förderung des einzelnen Schülers und für die Chancengleichheit geschaffen, das eigenständige Recht des Kindes auf Erziehung und Bildung gewahrt, legitime Interessen der Eltern *) an der Erziehung ihrer Kinder durch die Schule beachtet und die Schüler zur Wahrnehmung ihrer Grundrechte im politischen und gesellschaftlichen Leben befähigt werden. Dabei ist den nach Alter und Reife grundrechtsmündig werdenden Schülern die Ausübung von Grundrechten in der Schule selbst zu ermöglichen, soweit es mit den anderen, der Schule ebenfalls im gesamtgesellschaftlichen Interesse auferlegten Aufgaben, wie der Vermittlung von Wissen und Können, vereinbar ist. Über die Einhaltung dieser Normen, die in ein Spannungsverhältnis zueinander treten können, wachen die Gerichte.

In der Zielsetzung für Unterricht und Erziehung zeigt sich in den Landesverfassungen, Gesetzen, Rechts- und Verwaltungsvorschriften einschließlich der Bildungspläne bei zum Teil unterschiedlichen Formulierungen eine weitgehende Übereinstimmung:

Die Schule soll

Die Vielfalt der Zielsetzungen entspricht unserer Gesellschaft, die sich als pluralistisch versteht, doch weist die Übereinstimmung zugleich auf gemeinsame Grundüberzeugungen hin.

Die Schule steht in der Spannung, die sich aus unterschiedlichen Erwartungen und Ansprüchen ergibt. Dabei muß die Schule selbst sich einseitiger Parteinahme enthalten und unterschiedliche Auffassungen ermöglichen und respektieren, soweit sie innerhalb des Spektrums der freiheitlichen demokratischen Ordnung liegen. Über Konflikte, die dabei entstehen, muß nach ausreichender Diskussion von den verantwortlichen Stellen entschieden werden. Das setzt stets von neuem ein Abwägen der Rechte aller Beteiligten, insbesondere der Rechte von einzelnen und von Gruppen mit den Rechten der Gesamtheit voraus.

Wenn die Schule ihrer Aufgabe gerecht werden soll, müssen bestimmte Voraussetzungen anerkannt werden:

  1. Regeln für das Zusammenleben in der Schule sind nötig; sie erwachsen aus der Spannung zwischen individueller Freiheit und notwendigen Bindungen.
  2. Erziehung zu Selbständigkeit, Selbstverantwortung und Mündigkeit setzt voraus, daß die Schüler altersentsprechend an der Gestaltung des Schullebens beteiligt werden.
  3. Erziehung zu Selbständigkeit, Selbstverantwortung und Mündigkeit soll zu der Einsicht führen, daß soziales Handeln selten konfliktfrei verläuft.
  4. Erziehung zu Selbständigkeit, Selbstverantwortung und Mündigkeit schließt ein, daß Schüler lernen, ihre Rechte wahrzunehmen, Rechtsnormen zu achten und rechtmäßige begründete Entscheidungen zu respektieren.
  5. Recht auf Bildung bedeutet zugleich Pflicht, vom Bildungsangebot sinnvoll Gebrauch zu machen; ohne bestimmte Leistungsforderungen wäre die Schule wirklichkeitsfremd.
  6. Unterricht und Erziehung in der Schule erfordern grundsätzlich die Anwesenheit der Schüler; Schulpflicht bedeutet Anwesenheitspflicht.
  7. Der Lehrer trägt die Verantwortung für seinen Unterricht, insbesondere dafür, daß Lernprozesse erfolgreich ablaufen können; dem ist bei der Arbeit in der Schule Rechnung zu tragen.
  8. Die Schule muß den Eltern Gelegenheit zu verantwortlicher Mitarbeit geben.
  9. In einzelnen Bereichen ist die Schule in besonderer Weise auf eine Zusammenarbeit mit anderen Institutionen angewiesen, z.B. mit den Trägern der Berufsausbildung und - entsprechend den landesrechtlichen Regelungen - mit den Kirchen.
  10. Die Schule ist Teil unserer gesellschaftlichen Ordnung und wandelt sich mit ihr. Sie erzieht die Schüler zu entscheidungsfähigen und entscheidungsbereiten Bürgern und wirkt damit auch auf die Gesellschaft zurück. Die Schule ist jedoch kein Ort der Agitation für gesellschaftliche Veränderungen.
  11. Die Schule umfaßt nicht das gesamte Leben der Schüler. Wie sie die Rechte der Schüler außerhalb der Schule zu respektieren hat, muß sie andererseits auch die Ausübung bestimmter Rechte der Schüler, z.B. im Bereich der politischen Betätigung, auf den außerschulischen Raum verweisen.

II. Schulverhältnis und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

Das rechtliche Verhältnis des Schülers zur Schule wird bisher überwiegend unter dem Rechtsbegriff des besonderen Gewaltverhältnisses erfaßt, der im obrigkeitlich verfaßten Staat entstanden ist. Für den Schüler wurde die Schule danach als weitgehend "rechtsfreier" Raum angesehen. Eine solche Auffassung vom Inhalt des besonderen Gewaltverhältnisses hat im demokratischen und sozialen Rechtsstaat keinen Raum mehr; sie wurde durch das Grundgesetz verändert. Es ist selbstverständlich, daß sich der Schüler im Verhältnis zur Schule in einem Rechtsverhältnis befindet: Das Recht, schulische Entscheidungen behördlich und gerichtlich überprüfen zu lassen, ist gewährleistet. Aufgrund dieser Entwicklung wird im folgenden vom Schulverhältnis gesprochen.

Schulverhältnis

Die Gesellschaft erbringt für die Schule besondere Leistungen, die den Schüler in den Stand setzen, sein Recht auf Bildung zu verwirklichen. Der Schüler muß dazu den besonderen Erfordernissen genügen, die sich aus der Aufgabe der Schule - Unterricht und Erziehung - ergeben. Für den Schüler besteht damit ein besonders enges Verhältnis zu der Einrichtung "Schule"; dem entsprechen spezifische Rechte und Pflichten des Schülers. Von diesem den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden Schulverhältnis geht Artikel 7 Abs.1 des Grundgesetzes aus, wenn er dem Staat die Aufsicht über das gesamte Schulwesen überträgt.

Die Besonderheit des Schulverhältnisses ist es, daß es den Erziehungsbereich der Eltern ergänzt und zur Erreichung der Aufgabe der Schule zwangsläufig Rechte von Eltern und Schülern im erforderlichem Umfang begrenzt. Diese Einschränkungen sind Artikel 7 Abs.1 des Grundgesetzes immanent.

Das Schulverhältnis ist durch das Grundgesetz, die Länderverfassungen und die Schulgesetze der Länder gebunden. Es bedarf jedoch wie andere Bereiche - das hat auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt - keiner lückenlosen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung aller möglichen Fälle. Eine derartige lückenlose Regelung ist von der Verfassung her gesehen nicht erforderlich. Ebenso wie Artikel 6 Abs.2 des Grundgesetzes die Pflege und Erziehung der Kinder als natürliches Recht der Eltern aus der Natur der Sache generalklauselartig festgelegt hat, ergibt sich eine ähnliche Ermächtigung auch aus Artikel 7 Abs.1 des Grundgesetzes für die Regelung des Schulverhältnisses. Artikel 7 Abs.1 des Grundgesetzes überträgt dem Staat insoweit nicht nur eine Aufgabe, sondern erkennt zugleich das Recht zur inneren Ausgestaltung des Schulverhältnisses durch den Staat im Rahmen des Erforderlichen an. Maßstab und Grenze für die Regelung des Schulverhältnisses ist stets die Aufgabe der Schule.

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

Die .öffentlichen Schulen sind Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Sie erfüllen die öffentliche Aufgabe des Unterrichts und der Erziehung. Wie für alle öffentlichen Einrichtungen gilt für die Schulaufsichtsbehörden und die Schulen selbst. der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

Das Schulverhältnis ist kein rechtsfreier Raum. Die Schule kann ebenso wie die übrigen öffentlichen Einrichtungen auf Rechte der Schüler und Eltern nur einwirken, soweit diese Befugnis durch Gesetz oder gesetzlich gedeckten Rechtssatz übertragen ist. Dabei ist der Grundgesetzgeber von einem vorgegebenen Begriff "Schule" ausgegangen und hat die Ermächtigung zur Regelung des Schulverhältnisses durch Schule und Schulverwaltung anerkannt. Das wird von der Rechtsprechung bestätigt.

Unverkennbar ist allerdings die Tendenz in Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebung, das Schulrecht in stärkerem Umfang zu kodifizieren, insbesondere auch Verwaltungsvorschriften durch Gesetze und Rechtsverordnungen zu ersetzen. Eine breite gesetzliche Grundlage für schulrechtliche Entscheidungen ist notwendig. Eine lückenlose gesetzliche Regelung ist jedoch entsprechend dem Wesen der Schule als einer Einrichtung, die aufgrund der pädagogischen, fachlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in einem steten Wandlungs- und Anpassungsprozeß begriffen ist, sinnvoll nicht möglich. Oft ermöglichen gerade nur durch allgemeine Rechtsnormen gedeckte Befugnisse die Weiterentwicklung der Schule und bieten mehr Raum für Erneuerungen als eine bis ins einzelne gehende Normierung durch Gesetz oder Rechtsverordnung. Es widerspricht nicht dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, wenn die notwendige Anpassung und Weiterentwicklung hier nicht durchweg aufgrund einer bereits nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmten gesetzlichen Ermächtigung oder einer darauf beruhenden Rechtsverordnung erfolgt.

Bemühungen, den Schulen mehr Selbstverwaltungsrechte zu geben und Eltern und Schüler vermehrt an Entscheidungsverfahren der Schule zu beteiligen, tragen bestimmten Wandlungen in der Auffassung von der Stellung der Schule in der Gesellschaft Rechnung. Das zwischen dem einzelnen Schüler und der Schule bestehende Rechtsverhältnis bleibt jedoch bestehen. Schon deshalb bedürfen alle Verantwortlichen für ihre Entscheidungen der entsprechenden rechtlichen Befugnis, die sich die Mitglieder von Gremien in der Schule nicht selbst beilegen können. Alle Verfahren und Entscheidungen müssen rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen und dürfen die verfassungsmäßige Verantwortung der Parlamente und Regierungen sowie insbesondere die in Artikel 7 des Grundgesetzes dem Staat übertragenen Rechte und Pflichten nicht aushöhlen.

III. Schulpflicht und Teilnahmepflicht

  1. Die Schulpflicht erstreckt sich auf die regelmäßige Teilnahme am Unterricht und den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule.
  2. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht (Teilnahmepflicht) besteht auch für jene Schüler, die nicht mehr im Sinne des Gesetzes schulpflichtig sind, aber noch eine Schule besuchen.

    Die Ausgestaltung des Schulverhältnisses (vgl. II), insbesondere die Rechte und Pflichten der Schüler und das Maß der zulässigen Einschränkungen ihrer Grundrechte ergeben sich im wesentlichen aus der Aufgabe der Schule. Hierzu gehört die Teilnahmepflicht der Schüler. Ohne diese Teilnahmepflicht ist nicht gewährleistet, daß die Schule ihrem Bildungsauftrag gerecht werden kann.

    Das in der Schule bestehende Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen allen Beteiligten erfordert die regelmäßige Mitwirkung jedes Schülers. Der Unterricht in der Schule besteht nicht nur in der Vermittlung von Sachwissen. Die Schule soll vielmehr das erfahrene und erlernte Wissen in Bezug setzen zu den Lebensfragen des Schülers. Bestimmte Verhaltensweisen, z.B. die wissenschaftliche oder politisch-gesellschaftliche, sollen ausgebildet werden. Die Schule muß dazu beitragen, daß der Schüler ein Arbeitsverhalten erlernt, das ihm bei späterer Berufstätigkeit hilft, in der Arbeitswelt bestehen zu können.

    Der Schüler, der die Schule nicht regelmäßig besucht, behindert im allgemeinen auch den Fortgang des Unterrichts und beeinträchtigt damit die Lernmöglichkeiten anderer Schüler. Die sinnvolle Teilnahme am Unterrichtsgespräch setzt die Kenntnis des bereits behandelten Stoffes und des Ablaufs vorangegangener Unterrichtsstunden voraus.

    Unregelmäßiger Schulbesuch gefährdet aber auch die Erfüllung des Auftrags der Schule, die Schüler in angemessener Zeit zu bestimmten Abschlüssen zu führen. Das muß nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht gegenüber dem Schüler, sondern auch im öffentlichen Interesse in angemessener Zeit geschehen. Dabei hat die Schule eine große Zahl von Schülern gleichzeitig zu betreuen. Dies kann nur im Unterricht erreicht werden. Außerhalb des Unterrichts kann die Schule ihren Auftrag nicht erfüllen, weil sie weder die Möglichkeit hat, die Schüler ausreichend zu fördern noch ihre Entwicklung und ihren Wissensstand laufend zu beobachten. Diesen Umständen trägt die Organisation der Schule Rechnung. Schüler, die am Unterricht nach eigenem Gutdünken nicht teilnehmen, tragen nicht nur ihr eigenes Risiko; es besteht auch keine Gewähr, daß die für sie durch die Gesellschaft aufgewendeten Mittel zu einem Erfolg führen.

    Schließlich erschwert der die Schule nicht regelmäßig besuchende Schüler der Schule die Leistungsbeurteilung. Ihr dient die zum Teil gerichtlich nachprüfbare Zeugniserteilung. Die vorausgehende Leistungskontrolle kann sich nicht nur auf schriftliche Leistungen erstrecken. Sie muß auch in der kontinuierlichen Beobachtung und Beurteilung der Leistungen des Schülers im Unterricht bestehen, die auf die erteilten Noten maßgeblichen Einfluß haben. Diese kontinuierliche Leistungskontrolle ist trotz bestimmter Mängel anderen Formen der Leistungskontrolle überlegen, weil sie mehr als z.B. ausschließlich punktuelle Prüfungen gewährleistet, daß alle Dimensionen des Leistungsverhaltens des Schülers in die Beurteilung einbezogen werden. Zudem ist die kontinuierliche Leistungsbeobachtung und -beurteilung auch didaktisch unerläßlich, wenn der Ausgangspunkt für weitere Schritte im Lernprozeß bestimmt werden soll. Insofern wird die Schule auch dann nicht auf sie verzichten können, wenn in größerem Umfang objektivierte Verfahren der Leistungskontrolle entwickelt worden sind und im Unterricht verwandt werden können.

    Die aufgeführten Gründe zwingen dazu, Ausnahmen von der Pflicht der Schüler zur Teilnahme am Unterricht auf die Fälle zu beschränken, die sich aus der Erkrankung von Schülern oder aus anderen von ihnen nicht zu vertretenden Gründen ergeben.

  3. Versuche, die auf die größere Verantwortungsfähigkeit von Schülern der oberen Klassen bauen und ihnen deshalb die Möglichkeit geben, sich selbst im Falle von Krankheit zu entschuldigen, werden nicht in der Absicht durchgeführt, die Teilnahmepflicht am Unterricht der Oberstufe aufzuheben.

Anlage
Fortsetzung

Zur Stellung des Schülers in der Schule
(Erklärung der Kultusministerkonferenz, beschlossen am 25. Mai 1973)

IV. Rechte des einzelnen Schülers

Die der Schule vorgegebenen Rechtsprinzipien und der Zweck der Schule erfordern, daß sie bei der Gestaltung von Unterricht und Erziehung die Interessen und Rechte des einzelnen Schülers respektiert und den Schülern ermöglicht, unmittelbar persönlich oder durch gewählte Vertreter *) am Leben und an der Arbeit der Schule mitzuwirken. Es gehört zu den Aufgaben der Schule, die Schüler mit diesen Rechten so vertraut zu machen, daß sie diese auch wahrnehmen können.

Jedem Schüler stehen unmittelbar Informations- und Mitwirkungsrechte zu, die er teils allein, teils im Zusammenhang seiner Klasse oder Gruppe als deren Mitglied geltend machen kann. Diese Rechte sind von den Rechten der Schülervertretung **) zu unterscheiden, doch kann sich der einzelne Schüler der Unterstützung durch die Schülervertretung bedienen.

Der Spielraum für die Wahrnehmung der Informations- und Beteiligungsrechte ist eingegrenzt durch die Verpflichtung, die für die Durchführung des Unterrichts und zur Erreichung des Schulzwecks verbindlichen Bestimmungen (z.B. Lehrpläne) und die Rechte' zu beachten, die den übrigen am Schulleben Beteiligten (Mitschülern, Eltern, Lehrern) zukommen.

Informationsrechte

Die für den Erfolg eines jeden Unterrichts erforderliche aktive Beteiligung des Schülers am Unterrichtsgeschehen setzt seine weitgehende Information über die Unterrichtsplanung voraus, z.B. auch über Einzelheiten wie Auswahl, Stufung und Gruppierung des Lehrstoffs. Diese Information muß altersgemäß sein und die Interessen der Schüler sowie pädagogische Erwägungen ausreichend berücksichtigen. Dem Schüler sollen die Bewertungsmaßstäbe für die Notengebung und für sonstige Beurteilungen sowie auf Anfrage einzelne Beurteilungen erläutert werden. Dieser Grundsatz gilt auch für Prüfungsleistungen.

Beteiligungsrechte

Der Schüler soll seiner persönlichen Reife, seinem Kenntnisstand und seinen Interessen entsprechend Gelegenheit erhalten, sich im Rahmen der Unterrichtsplanung an der Auswahl des Lehrstoffes, an der Bildung von Schwerpunkten und an der Festlegung der Reihenfolge durch Aussprachen, Anregungen und Vorschläge zu beteiligen. Diese Mitwirkung des Schülers an der Gestaltung des Unterrichts soll auch bestimmte Methodenfragen einschließlich der Erprobung neuer Unterrichtsformen umfassen. Falls Vorschläge keine Berücksichtigung finden können, sollen die Gründe dafür mit den Schülern besprochen werden.

Soweit das Jahrgangsklassensystem zugunsten eines Systems thematisch bestimmter Kurse aufgegeben wird, erhalten die Schüler im Rahmen der organisatorischen Möglichkeiten die Gelegenheit, Kurse zu wählen und dadurch mittelbar zu bestimmen, von welchem Lehrer sie unterrichtet werden. Außerdem können die Schüler beratende Lehrer (Tutoren) wählen, sofern solche Lehrer vorgesehen sind. Darüber hinaus ist die Wahl der Lehrer durch die Schüler oder ihre Eltern schon aus organisatorischen Gründen nicht möglich.

Beschwerderecht

Unabhängig von seinem Alter hat jeder Schüler, der sich in seinen Rechten beeinträchtigt sieht, das Recht zur Beschwerde. Die Schule muß sicherstellen, daß der Schüler Gelegenheit erhält, seine Beschwerden vorzutragen, und daß bei begründeten Beschwerden für Abhilfe gesorgt wird. Die Rechte der Eltern bleiben unberührt.

V. Rechte von Schülervertretungen

Unabhängig von der Wahrnehmung der Interessen durch den einzelnen Schüler selbst werden Interessen der Schüler von Schülervertretungen wahrgenommen. Die Kultusministerkonferenz hat dazu am 3.Oktober 1968 Empfehlungen ausgesprochen, denen der nach wie vor gültige pädagogische Gedanke zugrunde liegt, die Schüler schrittweise zur selbständigen Mitarbeit in der Gesellschaft zu befähigen. Aufgabe der Schülervertretungen ist allgemein, den Schülern Gelegenheit zur Teilnahme an der Willensbildung innerhalb der Schule zu verschaffen.

Wege hierzu sind z.B. die Teilnahme an Fach-, Klassen- und Gesamtkonferenzen und die Einrichtung von Gemeinsamen Ausschüssen mit der Aufgabe, Regelungen der einzelnen Schule vorzubereiten und Konflikte zu schlichten. Bei der Aufgabenstellung solcher Gremien und der Art der Beteiligung von Schülern sind das Alter der Schüler, ihre Interessen und die sachliche Kompetenz zu berücksichtigen.

Die Rechte der Schüler sind immer im Zusammenhang mit denen der Lehrer und Eltern und im Zusammenhang mit den Aufgaben der Schulverwaltung zu sehen.

Alle Regelungen für das Zusammenwirken von Schülern, Eltern und Lehrern müssen einen Interessenausgleich der an der Schule beteiligten Gruppen zum Ziel haben. Die Grenze für derartige Regelungen liegt dort, wo die Aufgabe der Schule gefährdet wird.

VI. Die Meinungsfreiheit des Schülers

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung steht dem Schüler auch in der Schule zu.

Die Schule muß im Rahmen ihres Bildungsauftrages die freie Meinungsäußerung des Schülers fördern; denn diese ist für den Erwerb von Wissen, seine Verarbeitung und für die Erziehung zum verantwortlichen Staatsbürger notwendig. Die Verarbeitung des erworbenen Wissens und die Erziehung zu selbständigem Urteil erfordern auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Stoff durch Diskussion. Ebenso unerläßlich ist die freie Meinungsäußerung des Schülers für die Entfaltung seiner Persönlichkeit, besonders seiner schöpferischen Fähigkeiten. Erziehung zu Freiheit und Demokratie, zum verantwortlichen Bürger und zu Toleranz ist nicht möglich, wenn der Schüler nicht lernt, seine Meinung frei, kritisch, aber in Achtung vor der Würde und der Überzeugung der anderen zu äußern. Die Schule sollte der freien Meinungsäußerung des Schülers grundsätzlich auch dort Raum geben, wo sie unbegründet scheint. Auch durch die Erörterung solcher Äußerungen können neue Erkenntnisse gewonnen werden. Der junge Mensch muß schrittweise Selbstbeherrschung und das Einhalten der Grenzen lernen, die sich aus der Sachgesetzlichkeit des Unterrichts und den Rechten anderer ergeben. Während des Reifungsprozesses, in dem er den richtigen Gebrauch des Grundrechts der freien Meinungsäußerung üben muß, hat er besonderen Anspruch auf Toleranz.

Das Recht der freien Meinungsäußerung gemäß Artikel 5 Abs.2 des Grundgesetzes findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Auf die Ausübung dieses Grundrechts durch den Schüler wirkt sich außerdem das Schulverhältnis aus.

Der Zweck der Schule verlangt von allen Beteiligten, daß in planmäßigem Unterricht die Bildungsziele erreicht, die Schüler nicht gefährdet und die Regeln des Zusammenlebens in der Schule eingehalten werden. Dabei ist von Belang, daß der Bildungsauftrag der Schule auch die Erziehung der Schüler zur Selbstdisziplin einschließt. Einschränkungen ergeben sich insbesondere hinsichtlich

Maßnahmen der Schule gegen Meinungsäußerungen der Schüler außerhalb des zeitlichen und räumlichen Bereichs der Schule sind grundsätzlich nicht zulässig. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur gerechtfertigt bei solchen Äußerungen, die sich unmittelbar auf die Schule beziehen und auswirken und ihren Bildungsauftrag schwer gefährden, etwa bei Aufforderungen zum Unterrichtsboykott.

VII. Schülerzeitschriften

Schülerzeitschriften sind periodische Druckschriften, die von Schülern für Schüler einer oder mehrerer Schulen redigiert und herausgegeben werden. Sie bieten eine besondere Möglichkeit, das in Art.5 Abs.1 des Grundgesetzes festgelegte Grundrecht der freien Meinungsäußerung in der Schule auszuüben. Die Schülerzeitschrift soll durch Gedankenaustausch, Bericht und Kritik das Schulleben bereichern, alle Beteiligten zur Mitarbeit anregen und damit zur Erfüllung der der Schule gestellten Aufgaben beitragen. Das ist der Fall, wenn sie sich bemüht, wahr zu berichten, sachlich zu argumentieren und in der Form nicht verletzend zu kritisieren. Aufgeschlossenheit für verschiedene Wertordnungen und Toleranz gegenüber unterschiedlichen Auffassungen sollen die Schülerzeitschrift kennzeichnen. Auf die jeweiligen Altersstufen der Schüler wird besondere Rücksicht zu nehmen sein. Schülerzeitschriften unterscheiden sich von jugendeigenen Zeitschriften, die ohne Verbindung mit einer Schule, oder von Jugendzeitschriften, die von Erwachsenen herausgegeben werden. Schülerzeitschriften sind immer für eine oder mehrere Schulen bestimmt.

Schülerzeitschriften können in der Form herausgegeben werden, daß sie außerhalb der Verantwortung der Schule stehen. In diesem Falle tragen die für die Schülerzeitschrift verantwortlichen Schüler im Rahmen der geltenden Gesetze die presserechtliche und strafrechtliche Verantwortung sowie die rechtsgeschäftliche Haftung ausschließlich selbst. Eine Zensur findet nicht statt.

Um zu ermöglichen, daß die vielfach noch minderjährigen Schüler bei der Redaktion und Herausgabe beraten werden, sollte den Schülerredakteuren anheimgestellt werden, sich einen beratenden Lehrer zu wählen. Die Beratung begründet keine Mitverantwortung für die Schülerzeitschrift.

Die Vertriebsmöglichkeit für Schülerzeitschriften innerhalb der Schule muß grundsätzlich garantiert sein, damit sie ihre Aufgaben sinnvoll erfüllen können. Der Vertrieb innerhalb der Schule kann allerdings unterbunden werden, wenn der Inhalt einer Schülerzeitschrift gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet ist, in anderer Weise gegen die Rechtsordnung verstößt oder die Erfüllung der der Schule gestellten Aufgaben des Unterrichts und der Erziehung erheblich gefährdet. Unbeschadet der zu eröffnenden Möglichkeit, daß die Schule in dringlichen Fällen rechtzeitig und ohne langwieriges Verwaltungsverfahren handeln können muß, wird empfohlen, vor einer Entscheidung über ein Vertriebsverbot ein Gremium aus Lehrern, Eltern und Schülern zu hören.

Nach den Regelungen einzelner Länder können Schülerzeitschriften Einrichtungen der Schule sein; derartige Zeitschriften werden im allgemeinen als "Schulzeitschriften" bezeichnet. Unabhängig davon, daß auch diese Zeitschriften von Schülern für Schüler gestaltet werden, trägt für eine solche Zeitschrift die Schule die Verantwortung. Um dieser gerecht werden zu können, muß die Schule in diesen Fällen die Möglichkeit haben, auf die inhaltliche Gestaltung so Einfluß zu nehmen, daß sie in jeder Hinsicht verantwortet werden kann.

Flugblätter und sonstige aus aktuellem Anlaß von Schülern im Einzelfall außerhalb von Schülerzeitschriften herausgegebene Druckschriften gehören nicht zu den Schülerzeitschriften. Sie stehen außerhalb der Verantwortung der

Schule; ihr Vertrieb innerhalb der Schule bedarf in allen Fällen der vorherigen Zustimmung des Schulleiters - wie auch bei allen übrigen Zeitungen, Zeitschriften und anderen Publikationen.

VIII. Leistungsverweigerung

Gerade in einer demokratischen Gesellschaft kann auf Leistung nicht verzichtet werden. Demokratie setzt verantwortliches Handeln und die Mitarbeit möglichst vieler Bürger in staatlichen und gesellschaftlichen Bereichen voraus. Verantwortliche Mitarbeit ist aber nur möglich, wenn der einzelne zu Leistungen bereit und fähig ist.

Die Schule ist durch ihren Auftrag verpflichtet, einer Leistungsverweigerung vor allem mit pädagogischen Mitteln zu begegnen. Soweit die Leistungsverweigerung von Schülern gegen den Schulzweck gerichtet ist, indem sie die Lernbedingungen der übrigen Schüler beeinträchtigen, sind Ordnungsmaßnahmen zu treffen. Zensuren in den Unterrichtsfächern dienen ausschließlich der Leistungsbeurteilung. Sie sind kein Mittel zur Wahrung der Schulordnung. Grundlage der Leistungsbeurteilung ist die von der Schule geforderte und vom Schüler erbrachte Leistung. Kommt ein Schüler der Leistungsaufforderung durch die Schule aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht nach, genügt er nicht den Anforderungen. In diesem Fall kann die Note "ungenügend" erteilt werden.

IX. Sogenannte Schülerstreiks

Der Begriff "Schülerstreik" wird vielerorts verwendet, obgleich sich Artikel 9 Abs.3 Grundgesetz ausschließlich auf Arbeitskämpfe tarifvertragsfähiger Parteien (Gewerkschaften auf der einen, Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände auf der anderen Seite) bezieht und für das Schulverhältnis nicht gilt.

Das Streikrecht der Arbeitnehmer beruht auf der Tarifautonomie, d.h. darauf, daß die "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" frei ausgehandelt und in (Tarif-) Verträgen vereinbart werden können. Das Schulverhältnis bietet dazu keine Parallele.

Der "Schülerstreik" ist lediglich ein organisiertes unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht. Der Schüler ist verpflichtet, am Unterricht und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilzunehmen (vgl. III). Diese Verpflichtung darf auch nicht kollektiv verletzt werden. Ein Recht, den Unterricht zu "bestreiken", besteht daher nicht.

Sogenannte "Schülerstreiks" können mit anderen kollektiven Handlungen oder Unterlassungen verbunden sein, die ebenfalls eine Beeinträchtigung des Unterrichts zur Folge haben, z.B. organisierte Verweigerung der Mitarbeit. Derartige Aktionen sind ebenso rechtswidrig wie die Verletzung der Teilnahmepflicht, weil sie die Schule an der Erfüllung ihrer Aufgabe hindern.

In diesen Feststellungen liegt keine unzulässige Beschränkung der Demonstrationsfreiheit. Die Teilnahme an Demonstrationen rechtfertigt nicht das Fernbleiben vom Unterricht oder eine sonstige Beeinträchtigung des Unterrichts. Das Demonstrationsrecht kann in der unterrichtsfreien Zeit ausgeübt werden.

Um "Schülerstreiks" und anderen kollektiven Maßnahmen zur Behinderung des Unterrichts zu begegnen, müssen die pädagogischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Dazu sollte auch die Aufklärung der Schüler über

die bestehende Rechtslage gehören. Enger Kontakt mit den Schüler- und Elternvertretungen und die Einbeziehung Gemeinsamer Ausschüsse von Lehrern, Eltern und Schülern können zur Versachlichung von Konflikten beitragen. Auch bei Teilnahme einer größeren Zahl von Schülern an kollektiven Behinderungen des Unterrichts bleibt die Anwendung von Disziplinarmaßnahmen nicht ausgeschlossen. Sie muß sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit richten.

_____________________________
*) Der Begriff Eltern wird zugleich für andere Erziehungsberechtigte gebraucht, soweit diese aufgrund gesetzlicher Bestimmungen an die Stelle der Eltern treten.
**) vgl. Abschnitt V

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