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Schulische Bildung von Kindern beruflich Reisender an allgemein bildenden Schulen
RdErl. d. MK v. 11.3.2023 - 25-81624/2 (SVBl. 04/2023 S. 162) - VORIS 22410
Bezug:
a)
Verordnung über die Abschlüsse im Sekundarbereich I der allgemein bildenden Schulen einschließlich der Freien Waldorfschulen (AVO - Sek I) vom 7.4.1994 (Nds. GVBl. S. 197, SVBl. S. 140), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 25.1.2022 (Nds. GVBl. S. 63) - VORIS 224100141 -
b)
RdErl. „Ergänzende Bestimmungen zum Rechtsverhältnis zur Schule und zur Schulpflicht“ v. 1.12.2016 (SVBl. S. 705) - VORIS 22410 -
c)
RdErl. „Klassenbildung und Lehrkräftestundenzuweisung an den allgemein bildenden Schulen“ v. 21.3.2019 (SVBl. S. 165) - VORIS 22410 -
d)
RdErl. „Zeugnisse in den allgemein bildenden Schulen“ v. 3.5.2016 (SVBl. S. 303), geändert durch RdErl. v. 8.11.2021 (SVBl. S. 646) - VORIS 22410 -
e)
Verordnung zur Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung v. 22.1.2013 (Nds. GVBl. S. 23, SVBl. S. 66), geändert durch Verordnung v. 2.7.2021 (Nds. GVBl. S. 506, SVBl. S. 398) - VORIS 22410 -

Die schulische Situation der Kinder beruflich Reisender – insbesondere aus Familien von Schaustellenden, von Zirkusangehörigen und Marktkaufleuten sowie im Einzelfall aus weiteren Berufsgruppen, die aufgrund der beruflichen Tätigkeit der Eltern regelmäßig die Schule wechseln – ist besonderen Bedingungen unterworfen: Die Lernbiografien sind durch den Besuch verschiedener Schulen während der Reisezeit häufig unterbrochen und die Lernmöglichkeiten durch äußere Umstände eingeschränkt. Erziehungsberechtigte und Schule müssen deshalb die Entwicklung dieser Schülerinnen und Schüler mit besonderer Aufmerksamkeit und Verantwortung begleiten, um ihnen einen fundierten Bildungsgang und den für sie bestmöglichen Schulabschluss zu ermöglichen.

1. Anwendungsbereich

1.1 Dieser RdErl. gilt für Schülerinnen und Schüler im Primarund Sekundarbereich allgemein bildender Schulen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen haben, deren Erziehungsberechtigte beruflich Reisende sind und die ihre Erziehungsberechtigten auf der Reise begleiten.

1.2 Der RdErl. findet entsprechend Anwendung bei Schülerinnen und Schülern aus anderen Bundesländern und ggf. aus anderen Staaten, die dort schul(besuchs)pflichtig sind oder dort eine Schule besuchen und zeitweilig Niedersachsen bereisen. Sie werden nach ihren mitgeführten Unterlagen unterrichtet. Es besteht eine Berichtspflicht gegenüber ihren Stammschulen gemäß Nr. 3.

2. Schulbesuch

2.1 Der Schulbesuch gliedert sich in der Regel in den längerfristigen Besuch der Stammschule in der reisefreien Zeit z. B. am Hauptwohnsitz sowie in den Besuch wechselnder Stützpunktschulen während der Reisezeit. Nach Nr. 3.1.1 des Bezugserlasses zu b sind für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Ein gewöhnlicher Aufenthaltsort liegt vor, wenn jemand – ohne sich in Niedersachsen ständig niederlassen zu wollen – mindestens fünf Tage hier wohnt. Die Schulpflicht beginnt in diesem Fall am ersten Tag des Aufenthaltes.

2.2 Die Zusammenarbeit der niedersächsischen Gesundheitsämter bei der Durchführung der Schuleingangsuntersuchung untereinander und mit den Gesundheitsbehörden anderer Bundesländer wird beibehalten und gefördert, um den Kindern beruflich Reisender die Teilnahme unabhängig vom Wohnort oder geplanter Stammschule zu ermöglichen.

3. Stammschule

3.1 Die Schule, in deren Einzugsbereich der gemeldete Wohnsitz oder der längerfristige Standort liegt, ist grundsätzlich die Stammschule der Schülerin oder des Schülers. Die Regionalen Landesämter für Schule und Bildung (RLSB) können in Abstimmung mit den Erziehungsberechtigten und der Bereichslehrkraft (Nr. 6) eine abweichende Stammschule benennen.

3.2 Die Stammschule hat folgende Aufgaben: Sie führt regelmäßig die Schülerakte, nimmt die Schülerin oder den Schüler in der Statistik auf und regelt die Beschaffung und Verwaltung der ausleihbaren Lernmittel.

3.3 In Verantwortung der Klassenlehrkraft wird das Schultagebuch (Nr. 5) für die Reisezeit vorbereitet und während der Reisezeit sowie nach der Rückkehr der Schülerin oder des Schülers durchgesehen.

3.4 Die Stammschule ist verantwortlich für die Erstellung des Zeugnisses. Hierfür werden z. B. geeignete Materialien bereitgestellt, um Lernfortschritte zu gewährleisten und zu dokumentieren.

3.5 Die Klassenlehrkraft erstellt, mit Unterstützung der Fachlehrkräfte und unter Berücksichtigung der jeweiligen Lernausgangslage, individuelle Lernpläne, die Bestandteil des Schultagebuchs sind und nach denen die Schülerin oder der Schüler an den Stützpunktschulen (Nr. 4) unter Anleitung der dortigen Lehrkräfte arbeitet.

3.6 Die Klassenlehrkraft hält Kontakt mit den Erziehungsberechtigten und ist Ansprechperson für die auf der Reise besuchten Schulen. Des Weiteren berät sie die Erziehungsberechtigten in Fragen der Schullaufbahn und in anderen schulischen Fragen in Zusammenarbeit mit den Bereichslehrkräften (Nr. 6). Insbesondere werden von ihr mit den Schülerinnen und Schülern und mit den Erziehungsberechtigten die Lernmöglichkeiten und Lernprozesse für die kommende Reisezeit vorbereitet und das Lernen aus der Ferne begleitet, z. B. auch mit Hilfe digitaler Medien.

3.7 Die Stammschule ergreift während des längerfristigen Schulbesuchs unter Berücksichtigung des individuellen Lernstandes, der individuellen Lernausgangslage und -entwicklung geeignete Fördermaßnahmen, um die Entwicklung des eigenverantwortlichen Lernens und Arbeitens zu unterstützen und zu fördern.

3.8 Die Stammschule kann Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Distanzlernens ermöglichen, über einen kurzen Zeitraum an Lernangeboten über die digitale Schulplattform der Stammschule teilzunehmen. Das (digitale) Schultagebuch begleitet diesen Prozess.

4. Stützpunktschulen

4.1 Stützpunktschulen sind die während der Reisezeit besuchten Schulen der jeweiligen Schulform. Es sind in der Regel die Schulen, die dem Platz, auf dem das Unternehmen gastiert oder die Familie wohnt, am nächsten liegen. Sie gewährleisten reisenden Schülerinnen und Schülern während der Reisesaison die Teilnahme am Unterricht. An Ganztagsschulen ist die Teilnahme an außerunterrichtlichen Angeboten zu ermöglichen. Die Stützpunktschulen haben Kinder beruflich Reisender grundsätzlich aufzunehmen. Das RLSB kann unter Einbeziehung der Bereichslehrkraft (Nr. 6) in begründeten Fällen Ausnahmen bezogen auf die zu besuchende Stützpunktschule zulassen.

4.2 Die Schulleitung der Stützpunktschule ist für die Koordination der Förderung der Schülerinnen und Schüler aus Familien beruflich Reisender an der Schule verantwortlich. Sie weist die Schülerin oder den Schüler dem im Schultagebuch ausgewiesenen Schuljahrgang und ggf. Bildungsgang zu. Klassenkonferenzen und Ordnungsmaßnahmen können in dringenden Fällen auch durch die Stützpunktschulen, in Absprache mit den Stammschulen, durchgeführt werden. Dies gilt nicht für Entscheidungen der Klassenkonferenz über Zeugnisse, Versetzungen, Abschlüsse, Übergänge, Überweisungen, Zurücktreten und Überspringen nach § 35 Abs. 2 Nr. 5 NSchG; für diese ist allein die Klassenkonferenz an der Stammschule zuständig.

4.3 Die Stützpunktschule nimmt die feststehenden Veranstaltungstermine in ihren Jahresplan auf und stellt sich auf ihre besondere Betreuungsaufgabe für die Dauer des Aufenthaltes der reisenden Schülerinnen und Schüler ein. Dazu wird u. a. eine Lehrkraft als Ansprechperson (Betreuungslehrkraft) für Schülerinnen und Schüler aus Familien beruflich Reisender benannt, die in besonderer Weise die reisenden Schülerinnen und Schüler während der Dauer des Aufenthaltes unterstützt und bei Bedarf für deren Ausstattung mit den notwendigen Lern- und Unterrichtsmaterialien sorgt.

4.4 Grundlage für die Organisation des schulischen Lernens auf der Reise sind die individuellen Lernpläne. Die Förderung der Schülerin oder des Schülers auf der Grundlage des individuellen Lernplans hat Vorrang vor dem Mitlernen in der Klasse der jeweiligen Stützpunktschule. Entsprechende Zeitanteile sind der Schülerin oder dem Schüler einzuräumen. Fächer, die nicht nach einem individuellen Lernplan unterrichtet werden, orientieren sich an den in der Stützpunktschule verwendeten Lernplänen und Lernmitteln.

4.5 Die Stützpunktschule dokumentiert im Schultagebuch die erfolgten Arbeitsschritte und eventuellen Leistungskontrollen und vermerkt Hinweise für die Weiterarbeit in der nächsten Schule. Für möglichst alle Fächer sind von der Stützpunktschule im Schultagebuch mündliche, schriftliche und fachspezifische Lernergebnisse zu dokumentieren, die zum Zeitpunkt der Zeugnisausgabe eine Leistungsbeschreibung und -bewertung sowohl in Notenziffern als auch in Berichtsform ermöglichen. Nach der Weiterreise der Schülerin oder des Schülers übermittelt sie eine Kopie der entsprechenden Einträge innerhalb von drei Tagen an die Stammschule.

4.6 Der Besuch eines „Schulwagens“ oder eines entsprechenden Angebots kann den Besuch einer Stützpunktschule ergänzen, wenn die personellen und organisatorischen Voraussetzungen dafür gegeben sind und muss entsprechend im (digitalen) Schultagebuch vermerkt werden.

5. Schultagebuch

5.1 Zur Dokumentation der Lernwege und des Lernstandes reisender Schülerinnen und Schüler ist ein Schultagebuch zu verwenden. Das Schultagebuch wird bei der erstmaligen Aufnahme der Schülerin oder des Schülers in einer Schule für die gesamte Schulzeit angelegt. Es ist von der jeweils besuchten Schule für die Zeit des Aufenthalts zu aktualisieren.

5.2 Das zu verwendende Muster für das Schultagebuch wird durch die Bereichslehrkräfte oder auf der Website Bildungsportal Niedersachsen bereitgestellt. Alternativ kann es durch ein länderweit eingeführtes Lernmanagementsystem ersetzt werden.

5.3 Das Schultagebuch dient dem unverzichtbaren Informationsaustausch zwischen der Stammschule und den Stützpunktschulen und ist eine wichtige Grundlage zur Leistungsbewertung und Zeugniserstellung. Es enthält u. a. die individuellen Lernpläne und dokumentiert die Lernfortschritte und den Lernstand der Schülerinnen und Schüler.

5.4 Die Verantwortung für die ordnungsgemäßen Eintragungen in das Schultagebuch liegt bei der jeweiligen Schulleitung der Stammschule und für den Zeitraum der Zuständigkeit bei den Stützpunktschulen. Es ist sicherzustellen, dass die Lernentwicklung der Kinder beruflich Reisender von der Stammschule innerhalb von drei Tagen nach Ende des Besuchs der Stützpunktschule durch die Übermittlung der entsprechenden Dokumentationen nachvollzogen werden kann.

6. Bereichslehrkräfte

6.1 Zur besonderen Unterstützung der schulpflichtigen Kinder beruflich Reisender werden durch die RLSB Bereichslehrkräfte eingesetzt. Dafür stehen Anrechnungsstunden zur Verfügung.

6.2 Bereichslehrkräfte nehmen beratende Aufgaben wahr, leisten innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs unterrichtsergänzende Förderung für Schülerinnen und Schüler aus Familien beruflich Reisender und begleiten ggf. ihren Übergang an andere Stützpunktschulen. Während der Reisezeiten prüfen sie das Schultagebuch auf Vollständigkeit und begleiten seine Weiterleitung. Sie unterstützen Beteiligte in der Arbeit mit der digitalen Cloudlösung des Schultagebuchs.

Der Aufgabenbereich von Bereichslehrkräften umfasst des Weiteren folgende Punkte:

________________________
An die
Schulen
Niedersächsische Landesschulbehörde
Nachrichtlich:
An die
Schulträger

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